Kategorie: Cities

Architektur: So kam das Bauhaus nach Tel Aviv

Tel Aviv, gilt als die Bauhaus-Stadt schlechthin. Im Zentrum der Startup-Supercity am Mittelmeer stehen rund 4.000 Gebäude, zu einem großen Teil von Bauhaus-Architekten im International Style erbaut. Das ist mehr, als irgendwo sonst auf der Welt. 2003 erklärte die UNESCO dieses Freilichtmuseum der Architektur zum Weltkulturerbe. Das Faszinierende an diesem Ensemble sind die unterschiedlichen Handschriften der Architekten, die Stilvarianten, der gesellschaftliche Hintergrund, vor dem diese Häuser gebaut wurden, und nicht zuletzt die Kulisse: die Gartenstadt Tel Aviv, in einem heiß-feuchten Klima. Selbst wenn heute nicht mehr alle Häuser strahlendweiße Fassaden haben, manche sind braunschattiert, gräulich-pastellig, unrenoviert und unverputzt, so erkannt man doch schon auf den ersten Blick ihre stilistische Herkunft.

Bevor das Bauhaus nach Tel Aviv kam

Tel Aviv wurde 1909 gegründet. Es gab ein paar wenige Häuser, unter anderem von deutschen Templern – die auch heute noch dort stehen und einem kurz das Gefühl geben, in Bayern zu sein – ansonsten viel Dünensand, Hitze, das Mittelmeer im Westen und im Norden den Fluss HaYarkon. Meir Dizengoff, seinerzeit Bürgermeister von Tel Aviv, beauftragte 1925 den Schotten Sir Patrick Geddes damit die Stadt so zu planen, dass sie genug Platz für das erwartete Bevölkerungswachstum bietet. Geddes entwarf einen Masterplan mit breiteren Verkehrs- und schmaleren Wohnstraßen, Wohnblöcken, sozialer Infrastruktur und kurzen Wegen. Er baute Tel Aviv als Gartenstadt nach europäischem Vorbild, mit dem entscheidenden Unterschied, dass er die Grünanlagen in die Stadt integrierte. Geddes gab den Rahmen und den Grundriss vor, in dem eine neue Architektengeneration wirken sollte.

Die Bauhaus-Architekten von Tel Aviv

Bereits in den 20er Jahren sind viele der künftigen Bauhaus-Architekten Tel Avivs aus Osteuropa nach Palästina immigriert. Von dort aus gingen sie an die modernen, renommierten europäischen Architekturschulen und studierten unter anderem bei Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe am Staatlichen Bauhaus. In den 30er Jahren verließen viele von ihnen Europa endgültig. Rund zwei Dutzend ehemalige Bauhausschüler emigrierten nach Palästina. Einer der wichtigsten Vertreter der Zeit war Arieh Sharon. 1920 kam der gebürtige Pole im Alter von 20 Jahren nach Palästina. 1926 ging er ans Dessauer Bauhaus und nahm bei Walter Gropius sein Studium auf. Er absolvierte bei Hannes Meyer, in dessen Berliner Architekturbüro er parallel zum Studium bis 1931 arbeitete. 1932 verließ er Deutschland und ging nach Tel Aviv.

Anfang der 1930er Jahre schlossen sich die emigrierten europäischen Architektur-Kollegen zusammen, neben Arieh Sharon waren es unter anderem Dov Karmi, Ze´ev Rechter, Carl Rubin, Josef Neufeld, Richard Kaufmann, Genia Averbuch, Shmuel Mestechkin, Shlomo Bernstein, Munio Gitai-Weinraub und Josef Berlin. Nach dem Berliner Vorbild nannten sie ihre Architekten-Vereinigung HaChug (hebräisch für „der Ring“, so hieß das deutsche Pendant), gaben die Zeitschrift HaBinjan („Der Bau“) heraus, gewannen stetig an Einfluss und Bedeutung in der Stadt und begannen, die Mittelmeermetropole Tel Aviv zu bauen. Die Bevölkerung wuchs rasant. Den Architekten ging es um die Ästhetik der Effizienz, den Leitgedanken des Bauhauses „Form follows Function“, „Wohnen für alle“ und „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ – Maxime, die perfekt zu Zeit und Ort passten.

Wohnen für alle

Die Stadtplanung von Sir Patrick Geddes und das Klima gaben den Rahmen vor: Der Wind kommt von Westen, es ist bisweilen unerträglich heiß und es gab noch keinen Schatten durch Bäume oder Bauten. Es musste schnell gehen und so wurde mit dem Material gebaut, das da war, vorrangig mit Beton, auch Glas, aber Eisen war schwierig zu beschaffen. Die Architekten passten ihr in Europa erlerntes Handwerk und ästhetisches Empfinden den Bedingungen des Ortes an und schufen so die markanten zwei- bis dreigeschossigen Häuser mit ihren oft umlaufenden, abgerundeten Balkonen, die für Luftzirkulation sorgen. Kleine, schlitzartige Fenster verhindern das Aufheizen der Räume. Die Flachdächer dienen als Nutzfläche und abendlicher Treffpunkt der Hausgemeinschaft. LeCorbusiers Säulenprinzip ermöglicht, unter den Häusern noch einen Garten anzubauen, zusätzlich zu den Grünflächen, die der Geddes-Plan vorgesehen hatte. Schnörkellos, schlicht, geprägt von den zeitgeistigen Vorstellungen der Architekten und von unglaublich moderner Präsenz – so entstand Tel Aviv, übersetzt: „Hügel des Frühlings“.

2019 wird das Bauhaus 100 Jahre alt. Die Architekten von damals haben für wachsende Gesellschaften und nach ihren neuen Prinzipien gebaut – Motive, die heute aktueller sind denn je, wenn wir uns mit Urbanisierung, wachsenden Städten und Smart Cities beschäftigen, die derzeit für die Zukunft geplant werden. Auch hier kann und wird Architektur wieder eine entscheidene Rolle spielen und gesellschaftliche Kontexte sichtbar und erlebbar machen. In Tel Aviv lässt sich bei meist strahlendem Sonnenschein schön Eintauchen in diese faszinierende Verwobenheit von Architektur- und Gesellschaftsgeschichte.

Der Artikel ist ähnlich bei Stylemag erschienen http://www.stylemag.net/2016/10/27/architecture-so-kam-das-bauhaus-nach-tel-aviv/

Weiterführende Lektüre:

Es gibt nicht viel Literatur, die sich mit den Lebenswegen und dem Schaffen der Architekten in Tel Aviv dieser Zeit beschäftigt. Erfreuliche Ausnahme: Das gerade erschienene Buch „Kibbutz und Bauhaus- Arieh Sharon und die Moderne in Palästina“ von Wiebke Dursthoff.

 

Smart City: Die Stadt der Zukunft entsteht aus Sensoren

Die Zeit drängt: Laut einer Studie der UN werden 2050 rund 66 Prozent der weltweiten Bevölkerung in Städten leben – derzeit ist es gut die Hälfte. Deswegen arbeiten Architekten, Stadtplaner, IT-Experten, Politiker und Bürger gemeinsam an Visionen und Konzepten für die Stadt der Zukunft. Und so, wie Amsterdam auf Heringsgräten gebaut sein soll, St. Petersburg aus Schlamm entstand und Venedig auf Inseln steht, bilden jetzt Sensoren das Fundament für die Stadt von Morgen. Sie sind der Grundbaustein für die Smart City, die Stadt eines neuen Typs, in der Gebäude, Straßen, Gehwege und Stadtmobiliar untereinander und mit den Smartphones und Wearables der Bürger und Besucher vernetzt sind, kommunizieren und Daten in Echtzeit tauschen. Weiterlesen

Ausstellung: Big Bang Data – What does Data mean to you?

Pro Tag produzieren wir Daten in gigantischen Mengen. Laut der Studie „The Digital Universe – EMC“ von EMC und IDC werden wir im Jahr 2020 mit 44 Billionen Gigabytes genauso viele digitale Bits pro Jahr erzeugen, wie es Sterne im Weltall gibt. Wie wirkt diese Datenflut auf uns Menschen, wie verändert sich unsere Wahrnehmung? Was macht es mit uns, wenn immer mehr Sensoren zwar Probleme lösen, Städte als Smart City bauen oder wandeln, für eine bessere Vernetzung und schnellere Kommunikation sorgen, auf der anderen Seite aber auch tief in unseren Lebensrhythmus eingreifen?

Die Wanderausstellung „Big Bang Data – Singapur“ widmet sich diesen Fragestellungen. Derzeit macht sie zum ersten Mal in Asien, in Singapur, Station und Dorothea Kriele, Coach und Traveller aus dem Weller-Media-Netzwerk, hat sie sich angeschaut und ein paar Fotos mitgebracht.

„Big Bang Data“ ist in acht Themenkomplexe eingeteilt, darunter „Understanding the Cloud“, „The Data Explosion“, „I am Data“, „We are Data“, „What Data can´t tell“ und „Data for the Common Good“. Jeder Bereich ist durch Arbeiten von unterschiedlichen internationalen Künstlern, Designern, Journalisten und Innovatoren und zum Teil interaktiven Informationen geprägt. Das Besondere der Ausstellung liegt in der Visualisierung der ansonsten unsichtbaren Datenflut, Bits und Bytes bekommen ein Gesicht. Das erleichtert das Innehalten und Nachdenken über die einzelnen Themen.

Singapur spielt als Stadtstaat und Smart Nation eine besondere Rolle beim Umgang mit Daten. Kaum eine andere Stadt der Welt ist so weit fortgeschritten im Umbau einer existierenden Stadt zu einer Smart City. Daten liefern den Rohstoff, auf dessen Basis das Leben der BewohnerInnen verbessert werden soll. Die Ausstellung zeigt Beispiele für die Smart Nation – weist aber auch auf Grenzen hin, die durch die alleinige Nutzung von Technologie entstehen.

Initiiert wurde „Big Bang Data“ in Singapur von ArtScience Museum, Coproducer sind CCCB, Centre de Cultura Contemporània de Barcelona und Fundación Telefonica.

Falls jemand der LeserInnen in der Nähe ist: Die Ausstellung läuft noch bis zum 16. Oktober 2016, täglich von 10 bis 17 Uhr im Art Science Museum, Singapur. Mehr Informationen:

(c) Dorothea Kriele

Ingo Günther – World Processor (c) Dorothea Kriele

Data For The Common Good (c) Dorothea Kriele

Data For The Common Good
(c) Dorothea Kriele

What Data Means To You (c) Dorothea Kriele

BesucherInnen hinterlassen ihre Antwort auf die Frage: What Data Means To You (c) Dorothea Kriele

(c) Dorothea Kriele

(c) Dorothea Kriele