Die Zeit drängt: Laut einer Studie der UN werden 2050 rund 66 Prozent der weltweiten Bevölkerung in Städten leben – derzeit ist es gut die Hälfte. Deswegen arbeiten Architekten, Stadtplaner, IT-Experten, Politiker und Bürger gemeinsam an Visionen und Konzepten für die Stadt der Zukunft. Und so, wie Amsterdam auf Heringsgräten gebaut sein soll, St. Petersburg aus Schlamm entstand und Venedig auf Inseln steht, bilden jetzt Sensoren das Fundament für die Stadt von Morgen. Sie sind der Grundbaustein für die Smart City, die Stadt eines neuen Typs, in der Gebäude, Straßen, Gehwege und Stadtmobiliar untereinander und mit den Smartphones und Wearables der Bürger und Besucher vernetzt sind, kommunizieren und Daten in Echtzeit tauschen.
Langfristige Smart-City-Strategien sind ganzheitlich ausgerichtet. Sie berücksichtigen den demografischen Wandel und zielen darauf ab, Städte nachhaltig, umweltschonend und sozial integrierend zu entwickeln. Im Mittelpunkt stehen Programme für das Management von Verkehr, Energie, Wirtschaft, Bildung, Kultur und Gesundheit. Smart Cities entstehen als Transformationen von existierenden Städten, sie werden aber auch ganz neu gebaut.
Zum Beispiel Masdar: Die ambitionierteste, am Reißbrett entworfene Modellstadt für nachhaltiges, ökologisches Leben entsteht derzeit im Wüstensand nahe Abu Dhabi. Geht es nach den Initiatoren, wird Masdar City der Prototyp für eine energieautarke Smart City ohne Abfall, ohne CO2-Ausstoß, ohne Autos. Seit 2008 wird gebaut, im Jahr 2025 soll die Stadt fertig sein. 50.000 Menschen werden dann auf dem rund sechs Quadratkilometer großen Areal leben und arbeiten. 1.500 Unternehmen, vorrangig aus der Cleantech-Branche, sollen sich ansiedeln. Siemens, die Internationale Energieagentur IRENA und ein paar andere Unternehmen sind schon da. Windkraft und Solarpanele sorgen für die Energie- und Wasserversorgung von Masdar. Jeder Haushalt ist an ein Netzwerk zur Überwachung des Energieverbrauchs angeschlossen. Müll wird wiederverwertet oder kompostiert. In Masdar geht man zu Fuß, fährt Rad oder nutzt eine der selbstfahrenden elektrischen Kabinen. Intelligente Architektur und kühlende Windtürme sorgen dafür, dass das Klima in der Stadt optimal ist, innen und außen.
In Europa gibt es viele Beispiele für Städte oder städtische Gebiete, die gute Ideen, Innovationen und die Möglichkeit, Dinge zu digitalisieren, kombinieren und so den Wandel zur Smart City vorantreiben. Das Ziel dieser Bestrebungen ist bei allen Konzepten identisch: Die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner soll sich verbessern und der Ressourcenverbrauch der Stadt minimiert werden.
Paris wird grün
Die französische Hauptstadt wird immer grüner, die Luft peu à peu immer besser. Läuft alles nach Plan, wird die Seine-Metropole bis 2050 die Treibhausemissionen um 75 Prozent reduziert haben, verglichen mit 2004. Schon jetzt hat Paris eins der besten öffentlichen Fahrradverleihsysteme weltweit. Die ersten Abschnitte der neuen Fahrradhighways sind seit diesem Jahr befahrbar, die Elektromobilität wird gefördert, das Netz von Ladestationen ist dicht. Autos, die vor 1997 in Umlauf gekommen sind, dürfen seit dem 1. Juli 2016 zwischen 8 und 20 Uhr wochentäglich nicht mehr in der City fahren. Drei smarte City Trees stehen seit diesem Sommer auf der Place de la Nation. Die vier-Meter-hohen, mit Moos bewachsenen künstlichen Bäume, sind mit mehr als 100 Sensoren ausgestattet, die Daten über die Umwelt sammeln. Sie säubern die Luft von Feinstaub, binden CO2 und versorgen sich selber über Solarzellen.
City Trees ist die Innovation des Deutschen Startups GreenCitySolutions und Paris gehört zu den ersten Städten in Europa, die die Bäume aufstellen. Die Stadt engagiert sich für neue, sinnstiftende urbane Lösungen und setzt dabei auf Open Data und Bürgerbeteiligung.
Wien: Smart City mit Vorbildcharakter
Ressourcen schonen, die hohe Lebensqualität ausbauen, neue Technologien und Innovationen fördern und einsetzen: Mit diesem Dreiklang baut Wien derzeit die Stadt zur Smart City um. Die Strategie für diese „Vision 2050“ wurde 2014 vom Gemeinderat beschlossen. Schon zuvor startete man Pilotprojekte, wie die Erfassung und Zusammenführung von städtischen Daten über Klima, Verkehr und Energie. Das Besondere am Wiener Weg zur Smart City ist die ganzheitliche Einbeziehung aller Lebensbereiche und die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an der Weiterentwicklung der Stadt. Mit Open Data und eGovernment hat Wien bereits akzeptierte Plattformen für Bürgerbeteiligung, Wirtschaft und Forschung geschaffen. Schwerpunkte der nächsten Jahre sind Mobilität, Klima, Energie und Nachhaltigkeit. Die Konzepte greifen ineinander und führen zu einer Stadt mit einer hohen Lebenszufriedenheit und kurzen Wegen. Eigene Autos bekommen Seltenheitswert, der CO2-Ausstoß wird drastisch verringert, neue Technologien stiften Nutzen im Alltagsleben.
www.wien.gv.at – www.digitalcity.wien – www.digitaleagenda.wien
Dies ist nur der Anfang und der Auftakt für eine Serie über Smart Cities.
In loser Folge werde ich künftig berichten über Konzepte, Beispiele und Diskussionen. Nicht jeder begrüßt die Datenerhebung seiner Stadtverwaltung in der Smart City – wie gehen Kritiker und Kritisierte mit dem Thema Datensicherheit um? Wie ist es um die Sicherheit in und von Smart Cities bestellt? Und wie weit sind wir in Deutschland, wo viele Wirtschaftsunternehmen, Städte und Gemeinden die schlechte Infrastruktur und das Nichtvorhandensein eines flächendeckenden Glasfaserkabelnetzes beklagen? Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben oder sich gerne mit mir über Smart Cities unterhalten möchten, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme.
Im September wird in der Erstausgabe CLUTCH – ein neues Lifestylemagazin über die digitale Welt – mein Beitrag „Willkommen in Tomorrowland“ zum Thema Smart Cities erscheinen.